Die große Dürre – 2. Sonntag nach Epiphanias 2020

Predigt am 2. So nach Epiphanias anno 2020

Berufe gibt’s, deren Sinn ich, ehrlich gesagt, nicht so ganz verstehe. Krankenschwester, Ärzte, Ingenieure, Kfz-Mechaniker, Installateure, Bäcker, Metzger, Müllentsorger, Elektriker und noch einige mehr- das sind so Berufe, die wir wirklich brauchen, die in einer Gesellschaft nicht fehlen dürfen. Aber dann gibt es auch welche, die ich als eher unnötig betrachten würde.

In München etwa ist die einzige Schule der Welt, in der man eine Ausbildung machen kann zum Wasser-Sommelier. Den Auszubildenden wird dort vermittelt, wie Mineralwasser richtig schmeckt, wie es zur Geltung gebracht wird und welcher Stil zu welcher Speise harmoniert.

In einem Berliner Restaurant arbeitet ein solcher Aqua-Experte. Dort gibt es auf der Karte 40 verschiedene Wässer aus 18 Ländern und er sucht das zum jeweiligen Gericht der Gäste passende aus. Unter anderem gibt es dort Iskilde, ein Wasser aus Dänemark, das viel Sauerstoff enthält und den Gaumen öffnen soll für den Geschmack des Essens. […]

Das teuerste Wasser auf der Speisekarte dort kostet derzeit 65 Euro pro Flasche. Es handelt sich um ein Wasser aus dem US-Bundesstaat Tennessee, Bling H2O. Der Preis ist aber hauptsächlich wegen der Flasche, die unter anderem mit echten Swarovski-Kristallen besetzt ist. Der Inhalt schmeckt zumindest dem Sommelier nicht wirklich.
Schon verrückt oder nicht?

Im Juli 2010 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Recht auf Wasser zu einem Menschenrecht erklärt. Es gibt immer noch so viele Länder weltweit, in denen vor allem den armen Menschen der Zugang zu frischem, reinen, fließenden Wasser fehlt, sie müssen kilometerweit laufen, um zu einem Brunnen oder einer Quelle zu kommen und oft ist dieses Wasser dann nicht direkt genießbar, sondern muss erstmal abgekocht werden. Und in Berlin sitzen Restaurant-Kritiker und schlürfen Wasser aus Dänemark, Australien und Amerika.
Schon verrückt oder nicht?

Den Konzern „Nestle“ kennt ihr alle- Nescafé, Nesquick, Wagner, Thomy, Maggi, Herta u.v. weitere Marken gehören alle zum riesengroßen Konzern von Nestlé dazu. Auch von dem Nestlé-Wasser Vittel habt ihr bestimmt schon gehört, abgefüllt in einem französischen Dorf, das eben Vittel heißt.
Der Konzern zapft jährlich 750.000 Kubikmeter Wasser aus der Quelle in Vittel ab und verdient damit gutes Geld. Die Bewohner des Dorfes haben das Nach-sehen: Ihr Dorf trocknet aus.
Jedes Jahr sinkt der Grundwasserspiegel um 30 Zentimeter, ihr Wasser beziehen sie mittlerweile aus einer anderen Quelle. Wenn die Vitteler also den Hahn aufdrehen, kommt da Wasser von woanders her, das erst ins Dorf geleitet werden muss. Wollen sie von ihrer eigenen Quelle trinken, müssen sie es in Flaschen abgefüllt kaufen.
Weltweit kauft Nestlé Wasserrechte von staatlichen Behörden. Das erlaubt dem Unternehmen, Wasser direkt aus dem Grundwasser abzupumpen. Dieses kostengünstige Nass reinigt Nestlé und verkauft es dann teuer als abgefülltes „Tafelwasser“ in Plastikflaschen. Gezapft wird es teilweise in Ländern wie Äthiopien und Pakistan, in weiten Teilen von Afrika, Länder, die immer wieder von Dürre und Wassermangel betroffen sind. Nestlé kümmert all das eher nicht, ihre Bohrer graben tief genug, um auch noch den letzten Tropfen zu finden.
Schon verrückt oder nicht?

Ende Dezember hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) seine Jahresbilanz vorgestellt. Demnach lagen die Temperaturen 2019 in der Bundesrepublik in elf von zwölf Monaten über dem langjährigen Durchschnitt, zudem sind noch nie zuvor in Deutschland an drei Tagen hintereinander 40 Grad oder mehr gemessen worden. Vor allem die extreme Hitze im Sommer macht 2019 zum drittwärmsten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881. […]
Diese Hitze macht etwas mit uns, mit unserem Land, mit der Tier- und Pflanzenwelt.
Das große Problem ist dabei weniger die hohe Temperatur als vielmehr der Mangel an Wasser.
In Teilen von Niedersachsen und NRW brach die Trinkwasserversorgung Ende Mai zusammen. Wasch- und Spülmaschinen streikten, das Wasser tröpfelte nur noch aus der Leitung. Die Region Stade (Niedersachsen) verhängte eine Rationierung, Rasen-Sprengen war ebenso verboten wie das Waschen von Autos. Private Swimmingpools blieben leer. Eine Stadt musste sogar mit Tankwagen versorgt werden. Die Flüsse hatten Niedrigwasser, Fische sind gestorben, der Rhein war über Tage 28° warm.
Schon verrückt oder nicht?

Wie war das nochmal bei Jeremia?

Jeremias 14,1-9: Dies ist das Wort, das der HERR zu Jeremia sagte über die große Dürre:
Juda liegt jämmerlich da, seine Städte verschmachten. Sie sinken trauernd zu Boden, und Jerusalems Wehklage steigt empor. Die Großen schicken ihre Diener nach Wasser; aber wenn sie zum Brunnen kommen, finden sie kein Wasser und bringen ihre Gefäße leer zurück. Sie sind traurig und betrübt und verhüllen ihre Häupter. Die Erde ist rissig, weil es nicht regnet auf das Land. Darum sind die Ackerleute traurig und verhüllen ihre Häupter. Selbst die Hirschkühe, die auf dem Felde werfen, verlassen die Jungen, weil kein Gras wächst. Die Wildesel stehen auf den kahlen Höhen und schnappen nach Luft wie die Schakale; ihre Augen erlöschen, weil nichts Grünes wächst.
Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir wider dich gesündigt haben.
Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. Warum stellst du dich, als wärst du ein Fremdling im Lande und ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt? Warum bist du wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann? Du bist ja doch unter uns, HERR, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!

Dies ist das Wort, das der Herr sagte zu Jeremia über die große Dürre. Die Großen schicken ihre Leute nach Wasser; aber wenn sie zum Brunnen kommen, finden sie kein Wasser und bringen ihre Gefäße leer zurück. Sie sind traurig und betrübt und verhüllen ihre Häupter. Die Erde lechzt, weil es nicht regnet auf Erden. Darum sind die Ackerleute traurig und verhüllen ihre Häupter.“

Was nützt mir ein Wasser-Sommelier, was bringt mir mein Menschenrecht auf Wasser, wenn die Brunnen alle ausgetrocknet sind? Wenn die Erde wüst und leer ist? Wenn der Regen ausbleibt?

Die Zeitgenossen Jeremias laufen zu all ihren Quellen und finden nur trockenen Sand vor. Traurig und betrübt, wahrscheinlich sogar verzweifelt und ratlos müssen sie umkehren, ohne auch nur einen Tropfen kostbares Nass mit nach Hause bringen zu können.
Die Erde lechzt, die Kinder weinen, die Äcker sind steinhart, alles Obst und Gemüse verdorrt, die Tiere sterben in Massen, weil überall Wasser fehlt.

Wir können solche Dürreperioden heutzutage ganz gut überwinden, weil wir lange vorher durch Wetterprognosen wissen, dass es lange nicht regnen wird. Also sorgen wir vor und können immer noch im Supermarkt Sprudel kaufen.
Das ging zu Jeremias Zeiten nicht. Da gab es weder einen Getränkefachhandel noch die Möglichkeit, Wasser über einen längeren Zeitraum hinweg zu lagern, es ist faul geworden, wenn es zu lange stand. Eine solche Situation, wie sie der Prophet beschreibt, war also wirklich existenzbedrohend, gefährdete das eigene Leben. Wasser ist etwas, auf das wir nicht verzichten können.

Die Schuld für eine solche Dürreperiode haben die Menschen damals bei sich selbst gesucht, sie dachten, es liegt an ihren vielen Sünden und Gott straft sie nun dafür, indem er es über Tage und Wochen nicht regnen lässt.

Also beten sie: „Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir wider dich gesündigt haben. Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. Warum stellst du dich, als wärst du ein Fremdling im Lande und ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt? Warum stellst du dich wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann? Du bist ja doch unter uns, HERR, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!“

Jeremia appelliert hier an Gottes Gewissen: du bist doch alles, was wir haben, du bist unser Held, zeige deine Macht und hilf uns.
Die Menschen leiden extrem unter der Trockenheit, aber sie leiden auch darunter, dass sie das Gefühl haben, dass Gott sie verlassen hat, dass er nicht mehr bei ihnen ist.
Heutzutage sind wir zwar weit davon entfernt, in den Dürreperioden und dem Klimawandel eine Strafe Gottes zu sehen. Aber auch wir können einen Zusammenhang herstellen zwischen der Situation, die uns belastet, und unserer eigenen Schuld daran. Denn wir sind schuldig, dass sich der Planet immer mehr erwärmt.
Es gibt genug Trinkwasser für alle Menschen, aber welches Interesse hat unsere Industrie, unsere Gesellschaft schon daran, dass etwa ein Kind in Äthiopien ausreichend Wasser bekommt? Wir können nicht traurig und betrübt am Brunnen stehen, wenn wir selbst irgendwie und irgendwo mit schuld daran sind, dass diese Quelle ausgetrocknet ist.

Gott dafür die Schuld zu geben und die Verantwortung auf ihn abzuschieben, ist dann wirklich zu einfach. Wir müssen uns alle an der eigenen Nase packen und überlegen, wie wir unseren Teil dazu beitragen können, dass die Ressourcen unseres Planeten gleichmäßig, gerecht und fair an alle Menschen, Tiere und Pflanzen verteilt werden.
Dabei hilft uns kein Wasser-Sommelier mit schlauen Sprüchen, kein gigantischer Welt-Konzern mit rein kapitalistischen Interessen, dabei hilft uns nur unser Gewissen. Gott hat uns einen freien Willen und einen gesunden Menschenverstand mit auf unseren Lebensweg gegeben und die gilt es zu nutzen. Gott möchte nicht der strahlende Held sein, der unsere Probleme löst, sondern er will uns alle zu Helden des Alltags machen, jeder nach seinen Möglichkeiten. Damit das Menschenrecht auf Wasser irgendwann kein bloßer Traum mehr ist, sondern Realität wird. Für einen blauen Planeten, auf dem wir alle gut leben können.

Pfrin Janina Kuhn

Statt Nachspiel: REVOLVERHELD – „Ich Werd‘ Die Welt Verändern“,
aus dem Album „Chaostheorie“ von 2007.
https://www.youtube.com/watch?v=mopk2e0b3x0

Titelfoto: (c) epd bild/Krems – https://gemeindebrief.evangelisch.de

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