Eine unbequeme Predigt – 11. So nach Trinitatis 23.08.2020

Gottesdienst am 10. Sonntag nach Trinitatis am 16. August 2020

© Pfarrei am Potzberg, Pfrin Janina Tamm


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Wer möchte, kann zu Beginn eine Kerze anzünden

Liebe Leserin, lieber Leser:

„Das Wenige, das du tun kannst, ist viel – wenn du nur irgendwo Schmerz und Weh und Angst von einem Wesen nimmst, sei es Mensch, sei es irgendeine Kreatur.“

Das sagt Albert Schweitzer und um diesen besonderen Mann geht es heute in der Predigt.

Wir beten: Gott, ich bin/wir sind hier, allein und doch durch deinen Geist alle miteinander verbunden. Amen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Bundesarchiv, Bild 145 Bild-00014770 / CC-BY-SA

in einem Fragebogen, den ich neulich ausfüllen musste, sollte ich Theologen oder Pfarrer nennen, die mich in meinem Glauben beeinflusst haben. Meine Entscheidung fiel schnell auf Albert Schweitzer. Er wurde am 14.1.1875 im Elsass geboren und hat nach der Schule Theologie, Philosophie, Klavier und Orgel studiert. Er hat als Professor das Neue Testament gelehrt und wohl großartige Konzerte gegeben, vor allem J.S. Bach hatte es ihm angetan. 1912 heiratete er Helene Bresslau. Albert Schweitzer hätte es damit gut sein lassen können- Bücher schreiben, Studenten ausbilden, Musiker sein, Ehemann und Vater (Tochter Rhena wurde 1919 geboren)- doch es war ihm nicht genug, er wollte mehr, er hatte seine Berufung noch nicht gefunden. Der Gedanke, in die Mission zu gehen, faszinierte ihn, aber „nur“ als Pfarrer? Das genügte ihm nicht. „Arzt wollte ich werden, um ohne irgendein Reden wirken zu können,” sagte er und studierte Medizin. Auch dieses Studium schloss er erfolgreich ab. Helene hatte sich zur Krankenschwester ausbilden lassen, um selbst aktiv helfen zu können. 1913 ging das Ehepaar Schweitzer dann nach Gabun, damals noch französische Kolonie, und gründete in Lambarene ein Krankenhaus. 1917 musste das Paar aufgrund des 1. Weltkriegs zurück nach Frankreich und dort arbeitete Albert vorübergehend als Arzt, hielt Vorträge und gab Konzerte, um damit Spenden für Lambarene zu sammeln. Denn er wollte wieder zurück und 1924 klappte das. Immer wieder aber kam er nach Europa, um zu arbeiten und Geld für seinen Lebenstraum zu verdienen. Er machte Lambarene bekannt und sich selbst damit einen Namen. Für seinen Einsatz für verfolgte und bedrohte Menschen, Frieden, Wahrheit und Freiheit erhielt Albert Schweitzer im Jahr 1952 sogar den Friedensnobelpreis. Mit dem damit verbundenen Geld baute er ein neues Lepradorf.

Auch politisch war er stark engagiert, vor allem gegen die atomare Aufrüstung setzte er sich aktiv ein. 1965 starb Schweitzer in Lambarene im Alter von 90 Jahren. Er wurde neben seiner Frau, die 1957 gestorben war, auf dem Friedhof in Lambarene begraben. Drei Monate tanzten die Afrikaner für ihn immer wieder Totentänze, um den Menschen im Jenseits zu zeigen, was für ein bedeutender Mann zu ihnen kommt. Totentänze dauern sonst nur etwa eine Woche.

Für mich ist Albert Schweitzer ein Mensch voller Gegensätze, die ich schwer zusammen bekomme: ein hoch gebildeter, sehr intelligenter, musisch empfindsamer Mann, der in Europa ein sorgenfreies Leben hätte haben können, begibt sich in ein rückständiges und unterentwickeltes Land voll mit armen und kranken Menschen. Dort packt er tatkräftig an, hilft selbst bei allen Arbeiten, die anstehen mit, erlebt viel Leid und Elend und schreibt weiterhin philosophische und ethische Aufsätze, die seinen wachen Geist beweisen. So war er etwa überzeugter Vegetarier:

„Meine Ansicht ist, dass wir, die für die Schonung der Tiere eintraten, ganz dem Fleischgenuss entsagen und auch gegen ihn reden. So mache ich es selber.“

Er hat gemahnt, selbst auf die kleinsten Dinge zu achten:

„Der wahrhaft Ethische nimmt sich die Zeit, einem Insekt, das in einen Tümpel gefallenist, ein Blatt oder einen Halm zur Rettung hinzuhalten. Und er fürchtet sich nicht, als sentimental belächelt zu werden.“

Besonders gelungen ist aber für mich Albert Schweitzers Sicht auf die Menschen:

„Wir sehen in den anderen Menschen nicht Mitmenschen, sondern Nebenmenschen – das ist der Fehler.“

In Zeiten von wachsendem Egoismus gelten diese Worte ganz besonders dieser Tage für mich. Die Corona-Leugner und Masken-Gegner sind für mich ein trauriges Abbild unserer Gesellschaft, sie denken nur an sich und dass angeblich ihre Rechte eingeschränkt werden. Aber in einer Gesellschaft haben wir auch Pflichten und dazu gehört gegenseitige Rücksichtnahme. Wir tragen die Masken nicht für uns selbst, uns schützen sie nur wenig, sondern wir tragen sie für unsere MITMenschen, um die vor Ansteckung zu bewahren. Dazu passt auch dieses Zitat von Albert:

„Das Verhängnis unserer Kultur ist, dass sie sich materiell viel stärker entwickelt hat als geistig.“

Es hilft, sich umfassend zu informieren und sich unterschiedliche Meinungen und Berichte anzuhören und dann selbst mal nachzudenken, um sich eben geistig weiter zu entwickeln und dabei nicht nur an den eigenen Vorteil zu denken. Aktive Nächstenliebe war ihm ein Anliegen, so hat er gesagt:

„Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht.“

Man wird erst dann zum Auto, wenn man fährt, wenn man unterwegs ist, wenn man sich auf den Weg macht. Und zum Christen, wenn man seinen Motor startet und sich aktiv in die Gesellschaft einbringt. Im Gottesdienst, in der Kirche kann man Kraft tanken für sich selbst, aber zum Christsein gehört es dazu, etwas zu tun. So beschreibt es Albert Schweitzer:

„Gebete ändern die Welt nicht. Aber Gebete ändern die Menschen. Und die Menschen verändern die Welt.“

Wir können nicht die ganze Welt retten und umgestalten, aber ein bisschen was, davon bin ich überzeugt. Jede und jeder kann einen Teil tun und in seinem Leben Finger-, Hand- und Fußabdrücke hinterlassen, vielleicht nur kleine, aber aus vielen kleinen können große werden. Albert Schweitzer hatte eine Vision, einen Traum von seinem Leben und hat alles darangesetzt, das wahr werden zu lassen. Bewundernswert, wie er das mit
einem starken Willen und unendlich viel Ausdauer ausgehalten hat, immer geleitet von Nächstenliebe und dem Wunsch, zu helfen und nicht nur große leere Reden zu schwingen. Oder, wie er es selbst gesagt hat:

„Das einzig wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.“

Fürbitten: Guter Gott, wir sind verbunden mit allem, was lebt. Du lässt uns deinen Willen zur Liebe erkennen und hast uns aufgetragen, die Erde zu behüten und zu bebauen. Stärke und weite in uns die Ehrfurcht vor allem Leben. Segne alles, was du geschaffen hast: alle Pflanzen und Tieren in ihrer Vielfalt. Lass uns achtsam sein vor deinem Werk. Gib uns ein aufmerksames und empfindsames Herz, das sich einsetzt, wo menschliches Leben missachtet, bedroht, gehemmt oder verletzt wird. Amen.  Vater unser im Himmel…

Segen: Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir. Der Herr erhebe sein Angesicht über dich und er gebe dir Frieden. Amen.

Die Kerze kann nun ausgepustet werden

Kurze Info aus dem Pfarramt

Die Glocken läuten jeden Sonntag von 10-10.05 Uhr und täglich um 19.30 Uhr, wer möchte, kann dann ein Vaterunser beten.

Am 30.8. um 14 Uhr ist in Mühlbach Gottesdienst mit Taufen und dem Posaunenchor am Laufbrunnen. Bitte Mund-Nasen-Maske mitbringen und Abstandsregeln beachten.

Andacht auf dem Anrufbeantworter: 06359-95 352 92.

Seelsorge-Hotline des Dekanats Kusel, täglich von 8-12 und 16-22 Uhr: 06381-99 69 919.

Gott behüte Sie, bleiben Sie gesund!

© Pfarrei am Potzberg, Pfrin Janina Tamm

Albert Schweitzer (1875-1965) plays J.S.Bach Liebster Jesu, wir sind hier, BWV 731 Rec.1936
https://www.youtube.com/watch?v=FqSXeHYtezE