Ihr seid das Salz der Erde

Aktualisiert/erstellt am 24.11.2023/05.11.2023 (6062)

Predigt zur Installation von Pfarrerin Katharina Küttner am 7. Okt. 2023

Vom Salz, das wertvoller ist als Gold

Aus der Bergpredigt, Matthäus 5, 13-16
Ihr seid das Salz der Erde, das Licht der Welt

Liebe Gemeinde,

ich möchte mit einem Märchen beginnen – möglich, dass Sie es nicht kennen. Es stammt aus der Slowakei, es ist …

Das Märchen von der Salzprinzessin
Es war einmal ein König, der hatte drei bildschöne Töchter, die er über die Maßen liebte. Als er nun alt wurde und seine Zeit gekom­men war, rief er die drei zu sich und sagte: „Meine Lieben, ich bin alt geworden, und ich muss eine von euch als Nachfolgerin bestim­men. Es soll diejenige Königin werden, die mich am meisten liebt, so habe ich es beschlossen.“
Da trat die älteste Tochter zu ihm und sagte: Lieber Vater, ich liebe dich mehr als alles Gold der Welt.“
Und die mittlere Tochter trat zu ihm und sagte: Lieber Vater, ihr seid mir wert als meine kostbaren Geschmeide.“
Und der Vater nickte zufrieden und nachdenklich.
Aber da trat die Jüngste auf ihn zu, nahm seine Hand und sah zu ihm auf: „Lieber Vater, ihr seid mir mehr wert als das Salz.“

Soweit, liebe Gemeinde, der Einstieg in das Märchen der Salzprinzessin. Sie können sich denken, dass der alte König not amused war. Salz, das ist doch nun wirklich schäbig. Ich würde wohl auch sparsam gucken, wenn ein Freund mich statt Rosen mit einem Salzstreuer zum ersten Date beglücken wollte. Ein Paket kostet bei Aldi 29 Cent, im Winter wird es tonnenweise auf die Straßen und Wege geworfen, und wer beim Würzen zu tief in den Salztopf guckt, wird gerne lächelnd als „frisch verliebt“ verdächtigt. Salz – was soll daran schon Besonderes sein?

Hören Sie mit mir den Predigttext aus der Bergpredigt, Matthäus-Evangelium Kapitel 5 ab Vers 13. Da sagt Jesus:

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Ihr seid das Salz. Ihr seid das Licht, sagt Jesus. Also auch Ihr, hier in der Kirche! Wir alle? also auch ich?! … Das kann nicht sein. So fühle ich mich nicht. Jetzt nicht und eigentlich überhaupt nicht.

Ihr seid das Salz der Erde. Christinnen und Christen sind die Würze in der Weltensuppe, geben dem Einheitsbrei des Weltenwandels einen feinen Geschmack, und, ja, sie können auch mal den Mächtigen und ihren bösen Plänen die Suppe versalzen.

Ich hab diese Worte als Jugendliche aber nicht besonders gemocht: Meine Generation – Generation Y oder auf englisch Why – kämpft nicht für eine neue Gesellschaftsordnung. Wir binden uns we­niger an Parteien. Wir streben nach Sicherheit. Wir fühlen uns nicht be­rufen, selbst im Namen von Jesus Christus Salz der Erde zu sein, Wider­stand zu zeigen und unsere Finger in die Wunden der Welt zu legen.

Wer mit Salz würzt – und davon spricht Jesus ja – braucht Fingerspitzen­gefühl – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein versalzenes Essen ist verdorben und ungenießbar – da würze ich doch besser erst gar nicht!

In der Antike war Salz ein Produkt, das in großer Menge gebraucht wurde. Man benötigte es zum Konservieren von Fleisch, Fisch und Gemüse. Es war kostbar, man spricht bis heute vom „weißen Gold“. Städte wie Lübeck, die Umschlagplätze für den Salzhandel waren, wurden reich und bedeutend. Als Würzmittel – und Jesus spricht ja vom Salz, das würzt – war es in jedem Haushalt vorhanden und galt von jeher als unverzichtbar.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid die feine Würze des Lebens….

Wie wichtig das Salz ist, versteht der alte König aus unserem Märchen erst, als es fast zu spät ist. Er jagt seine jüngste Tochter ent­täuscht aus dem Haus.
Aber bald kommt es, wie es kommen muss: Das Salz im Königreich wird knapp. Nichts schmeckt mehr, die festlichen Bankette, die früher das Schloss mit Leben gefüllt haben, müssen ausfallen.
Das Gold und die Edelsteine der beiden älteren Töchter sind zu nichts nutze. Allmählich werden Mensch und Tier krank an Leib und an Seele. Das Salz wurde so wertvoll, dass die Menschen eine einzige Prise mit dem Kostbarsten, das sie besaßen, bezahlt hätten.
Da erkannte der König, was für eine köstliche Gottesgabe das Salz ist, das ihm wertlos erschienen war. Und er hatte Gewissensbisse, weil er seiner jüngsten Tochter Unrecht getan hatte.

An was für Menschen richtet sich Jesus damals, als er die Bergpredigt hält? – An die, die sich von ihm angezogen fühlen. Die aufgewühlt sind von dem, was sie sehen und hören. Die merken: Das hat etwas mit uns zu tun. Das könnte unser ganzes Leben verändern. – Sie gehören keinem Verein an, sie haben nichts unterschrieben. Es sind einfache Leute, die hart arbeiten müssen. Nirgends steht, dass sie besonders fromm sind.

Ihr seid das Salz der Erde. Ohne Salz schmeckt das Leben nicht. Ohne euch ist die Erdensuppe eine fade Brühe. Ihr seid die Würze im Wandel der Welt. Die Welt braucht Salz, sagt Jesus. Die Welt braucht euch.

Ihr, sagt Jesus zu ihnen, ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Doch damit beginnt er nicht seine Rede, das kommt erst später. Er beginnt mit dem Wort selig.

Selig sind die geistlich arm sind, sagt er. Selig sind die Leid tragen; selig sind alle, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten; die Sanftmütigen; die Barmherzigen, die Friedfertigen.

Gerade für sie hat Gott eine Vorliebe.
Ich kann mir vorstellen, wie sie gestaunt haben, die Menschen, die sich auf dem Berg um Jesus versammelt hatten. Sie hörten seine Worte: Selig sind, die geistlich arm sind. Ihnen gehört das Himmelreich. Selig sind, die Leid tragen, sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen, sie werden das Erdreich besitzen.

Ich kann mir denken, dass sie zweifelnd die Stirn runzelten, die Fischer und Zimmerleute, die ungelernten Arbeitskräfte, die Hausfrauen und Kinder, die Mägde und Konkubinen. Wie, er spricht von uns? Wir sind die Gesegneten des Herrn, wir sind die, die Gott selig spricht? Wir sind das Salz der Erde? Kann doch nicht sein…?

Doch, sagt Jesus. Ihr seid das Salz der Erde. Mehr noch. Ihr seid das Licht der Welt. Und dann legt er aus, was das bedeutet:

Liebt eure Feinde, und bittet für die, die euch verfolgen. Wenn dir jemand den Rock nehmen will, gib ihm den Mantel. Eure Rede sei ja, ja oder nein, nein. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit.

Und:

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.

Wir sind das Salz der Erde. Wir sind das Licht der Welt. Das war für die Menschen damals eine unerhörte Botschaft.

Aber ich kann mir vorstellen, dass der ein oder andere hier auch eher zweifelnd die Stirn runzelt. Ich zum Beispiel. Ich bin nun wirklich alles andere als eine Revoluzzerin! Ich strebe nach Harmonie, und wenn dann die Suppe ein bisschen fade schmeckt, was soll’s! Oder Ihr jungen Leute, ihr Konfis: Ihr müsst so vieles bewältigen, Ihr müsst so vieles lernen, man verlangt eh schon so viel von euch. Das Leben ist so komplex ge­worden – Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, ist das nicht eine Überforderung? Wie sollt ihr das denn auch noch wuppen? Helferinnen, Presbyterien, Ehrenamtliche, Kirchendiener und Musiker – Sie alle en­gagieren sich in Ihrer Kirchengemeinde, Sie bemühen sich, das Leben in diesem Ort bekömmlich und wohlschmeckend zu gestalten – aber mehr geht doch wirklich nicht, oder?

Ich glaube, es muss nicht mehr sein. Eher weniger.

Ihr seid das Salz der Erde, so steht es geschrieben. Nicht: Ihr müsst es noch werden. Ihr seid bereits das Salz der Erde und das Licht der Welt. Das sieht man daran, wie ihr miteinander umgeht. Das sehe ich, wenn sich die Kinder in der Grundschule in Godelhausen gegenseitig in der Schule helfen und ihre Freunde für sie das Wichtigste auf der Welt wer­den. Das sieht man in der Gemeinde an dem großen Engagement von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Das sieht man, wenn wir Christenmenschen einander von Herzen vergeben. Das sieht man immer da, wo wir einander mit Liebe begegnen. Ihr seid das Salz. Nicht: Ihr müsst es werden. Ihr seid wunderbar gemacht, jedes Einzelne von euch.

Ihr seid das Salz der Erde. Ihr hier in diesem Gottesdienst seid das Licht der Welt. Worte des Höchsten – gesprochen zu Ihnen, zu Euch und zu mir. Wer, wenn nicht ihr? sagt Jesus. Und: Man nimmt doch nicht ein Licht, und stülpt darüber einen Scheffel oder einen Eimer, nein man stellt es hoch, damit es den Raum erleuchte.

Dass wir Christinnen und Christen sind, das kann der Welt nicht verbor­gen bleiben, das wird die Welt schmecken und sehen, sagt Jesus. Und er selbst spricht uns selig, rüstet uns zu, gibt uns die Kraft und die Liebe, die wir brauchen.

Schmecken und sehen muss auch der alte König, bevor er Einsicht hat. Jahrelang bleibt das Mädchen, seine Jüngste, fort und ver­dingt sich in den Wäldern bei einer gutmütigen, alten Frau, die ihr bald zur Familie und zur Großmutter wird. Als Abschiedsgeschenk und Lohn für ihre Dienste erbittet sie nichts weiter als eine Hand­voll Salz und kehrt damit zurück in ihr Elternhaus.
„Ich bringe dem König ein Geschenk, das kostbarer ist als Silber und Gold und das ihn sicher gesund machen wird“ – mit diesen Worten bittet das junge Mädchen um Einlass und gibt sich nicht zu erkennen, als der König sie vorlädt. Brot und Salz – damit hatte er all die Jahre seine Gäste begrüßt. Bekümmert lässt er dem Mäd­chen zum Willkommen ein Stück trockenes Brot reichen. „Salz ha­ben wir leider nicht“, sagt er traurig.
„Aber, ich habe Salz!“ sagt das Mädchen, streut Salz auf das Brot und übergibt es samt dem Beutel dem König. „Salz!“ ruft dieser erfreut aus. „Ach, Mädchen, das ist eine köstliche Gabe! Sag mir, wie kann ich dich dafür belohnen?“
„Ich verlange nichts, lieber Vater, nur dass du mich lieb hast wie das Salz!“ erwidert das Mädchen und nimmt ihr Kopftuch ab.
Das Salz im Beutel aber wurde niemals leer, das Darben im König­reich hatte ein Ende.

Salz ist wertvoller als Gold und Edelsteine, das hatte der alte König erkannt. Salz ist mehr als es scheint. Salz ist kostbar, wertvoll und unverzichtbar.

Ihr seid das Salz der Erde – wir sind Gott so lieb wie das Salz.
Wir sind ihm die feine Würze im manchmal faden Alltag der Mensch­heitsgeschichte.
Durch uns leuchtet die Liebe Jesu Christi in die Welt.

So sei es. Das bedeutet: AMEN

Schriftlesung: 1. Petrusbrief 4, 7-11

Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun be­sonnen und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen habt unterein­ander beharrliche Liebe; denn »Liebe deckt der Sünden Menge zu« Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dienet einan­der, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: Wenn jemand redet, rede er’s als Gottes Wort; wenn jemand dient, tue er’s aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Ihm sei Ehre und Macht von Ewig­keit zu Ewigkeit! Amen.

Lied Nr. 93, „Wo Menschen sich vergessen“

Aus dem neuen blauen Gesangbuch “Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder”

Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen,
und neu beginnen, ganz neu,
||:da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns:||

Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken,
und neu beginnen, ganz neu,
||:da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns:||

Wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden,
und neu beginnen, ganz neu,
||:da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns:||

Text: Th. Laubach

Titelbild: Die Bergpredigt. Fresko von Cosimo Rosselli in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan, ca. 1481/82, Quelle Wikipedia