Senfkorn Nr. 4 – Download und Extras

Aktualisiert/erstellt am 07.06.2024/09.05.2024 (6265)

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Auch diesmal wieder mit viel Information und Unterhaltung,
über “Namen und Bezugsrahmen” mit vielen Querbeziehungen:

  • Auf ein Wort … Gottes Schöpfung im Bezugsrahmen
  • Ein Jahr gemeinschaftlich verwaltetes Pfarramt am Potzberg
  • Abschied von Pfarrer Christoph Bröcker
  • Der Gimsbacher Projektchor
  • Die Namen Gottes im Alten Testament
  • Predigt zum Nach-Denken: Nachfolge
  • Unser neuer WhatsApp-Kanal
  • Die WhatsApp-Gruppe “Mutmachworte”
  • … und viel mehr

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Mehr zu den Beiträgen der Druckausgabe

Die Namen Gottes

Original und Übersetzung am Beispiel der “10 Gebote”

Die folgenden Ausführungen basieren auf dem Beitrag “Die Namen Gottes im Alten Testament” im Senfkorn Nr. 4 ab Seite 40!

Das Titelbild von Senfkorn Nr. 4 zeigt einen Ausschnitt aus der Tora (5 Bücher Mose), linke Spalte der hebräische Urtext, rechts die aramäische Übersetzung. Das ursprüngliche Foto einer Buchseite einer um 1500 gedruckten Tora entstammt einem Auktionskatalog und wurde grafisch bearbeitet. Das Original findet ihr unter  kestenbaum.net

Abgebildet ist ein Teil des Dekalogs = “10 Gebote”, die Mose auf dem Berg Sinai erhalten hatte.

Im 2. Absatz lassen sich 2 (eigentlich 4!) charakteristische Gottesnamen, wie sie im Senfkorn Nr. 4 besprochen wurden, erkennen. Im Originaltext sind die Worte teilweise grammatikalisch, der hebräischen Sprachregeln entsprechend, leicht verändert. Oben der Originaltext in der hebräischen Tora (nur Konsonanten), unten derselbe Text in punktierter Form, also mit Vokalen und Aussprachehilfen. Bitte daran denken: Hebräisch wird von rechts nach links geschrieben.

Die Grundformen der blau eingerahmten Begriffe bedeuten von rechts nach links und von oben nach unten:

  • schem = Name
  • JHWH => sprich Adonaj; Hebräisch kennt keine Großschreibung. JHWH wird hier, wie üblich in einer Übersetzung aus dem Hebräischen, groß geschrieben.
  • eloheicha => Elohim = Gott
  • JHWH
  • schemo => schem = Name

Ausgesprochen wird der obige Text etwa so, die betonten Silben sind mit Akzent versehen:

Lo tisá et-schém-adonáj elohéicha lascháw
ki ló jenakhé adonáj et aschér-jisá et-schemó lascháw

Mit etwas Phantasie lässt sich erraten, um welches Gebot es sich hier handeln könnte! In der Übersetzung nach Luther 2017:

Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen, denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht. (2.Mo (Exodus) 20,7).

Die bessere Übersetzung?

Eine alternative Übersetzung zum “du sollst” lautet: “Du wirst” in der Zeitform (besser: Zeitverständnis) des “Imperfekt”, d.h. im Sinne einer Feststellung, eines andauernden, nicht abgeschlossenen Prozesses/Zustands, also nicht “perfekt” = “fertig”, vielleicht sogar überspitzt “es bleibt dir gar nichts anderes übrig, weil ich dein dich liebender Gott bin und du gar nicht auf die Idee kommen kannst…”.

Edit 29.05.2024: Nach rabbinischer Auslegung können auch beide Zeitformen nebeneinander stehenbleiben und sich ergänzen, im Sinne nach: Du sollst… und kannst … weil du dazu befähigt bist/weil ich dich dazu befähigt habe.

Überlegungen hierzu auch in der gedruckten Version des Senfkorns und Quellenangaben unten.

Die wörtliche Übersetzung

Die Bibel lässt sich nicht wörtlich übersetzen, das Alte Testament aus dem hebräischen Urtext schon gar nicht. Nicht nur, dass der Unterschied in Grammatik und Satzbau zu groß ist. Es ist vor allem die andere Denkweise, das “Hebräisch Denken”: Assoziationen, Formulierungen, Mehrfachdeutungen, Wortspiele, orientalischer Sprachgebrauch, besondere poetische Formen (Psalmen!) … Vieles ist nur im Zusammenhang (Text, Historie, Gesellschaft…) deutbar und erschließt sich uns nur mühsam. Deswegen erscheinen uns biblische Texte oft fremd. Fakt ist: Alle Bibelübersetzungen sind zwangsläufig auch Interpretation!

Eine “wörtliche” Annäherung an den ersten Teilsatz könnte sein:

  • Lo = wörtlich “Nein”, Verneinung des nachfolgenden Verbs
  • tisá= du (t) wirst erheben, loben, erhöhen, “nach oben bewegen”
  • et-schém-JHWH(adonáj) = den (et=Akkusativ, also wen/was erheben) Namen JHWH; die Bindestriche verdeutlichen die enge Zusammengehörigkeit der Worte, also ein Begriff
  • elohéicha = dein Gott, “dein”=cha als besitzanzeigendes Pronomen steht hier am Ende von elohim.
  • lascháw= zum (la = Richtung) Schlechten, Lüge, im Sinne auch von leichtfertig, nicht ernsthaft, englisch “in vain”=umsonst, ohne Nutzen, verschwendet. Siehe z.B. auch Psalm 12,2!

Fazit: der deutsche Begriff in der Luther-Übersetzung “nicht missbrauchen” scheint dem Sinne nach gut zu passen, für “du sollst” ist eine abweichende Übersetzung mit anderem Sinngehalt möglich. Und daraus folgt: Unser gewohnter Ausdruck “10 Gebote” trifft es dann folglich auch nicht ganz. Im jüdischen Verständnis (z.B. Pinchas Lapide, s. Quellennachweis unten) ist die Verkündigung vom Sinai eher der Schlüssel zur Freiheit als eine Abfolge von “Befehlen”.

Audiobeispiele

Auf Hebräisch hört sich der Dekalog so an (ab 0:50 min, der Player ist rechts oben auf der Seite, auf dem Smartphone das weiße Dreieck auf blauem Grund, “ohne Musik” auswählen, die Geschwindigkeit ist einstellbar, empfohlen 0.75):

https://haktuvim.co.il/en/study/Exod.20.1

In orientalischem Tonfall, der wahrscheinlich dem Original näher kommt, klingt es bei https://mechon-mamre.org/ ab 00:54 so (https://mechon-mamre.org/mp3/t0220.mp3)

 

Weitere Impulse
  • Die katholische Kirche rät dazu, den Namen Gottes (JHWH) aus Respekt vor der jüdischen Tradition nicht mehr auszusprechen (2008) Link
  • Ein interessantes Nebeneinander von geschriebenem (JHWH) und gesprochenem Namen (Adonaj) finden wir in Richter 13,8
  • Der Islam sind “die 99 schönsten Namen Gottes” von großer Bedeutung, die (und noch weitere) im Koran zu finden sind, als Synonyme für Allah gebraucht werden und die besonderen Eigenschaften Allahs bezeichnen, von “der Erbarmer” bis zu “der Geduldige”.
Quellen

Es gibt unzählige Quellen, theologische, historische und sprachwissenschaftliche Lehrbücher, Bibel-Hebräisch-Onlinekurse, Bibel-Übersetzungen mit integrierten Wörterbüchern (z.B. die Blueletter-Bibel), die jahrhundertealten rabbinischen Auslegungen, großartigen (Neu)Interpretationen biblischer Inhalte, entstanden z.B. aus dem christlich-jüdischen Dialog und für jeden als Buch erhältlich, dazu Zeitschriften und Newsletter jüdischer Gemeinden und Organisationen etcetcetc., aber alles ist nichts ohne einen guten Start:

Daher ein großes herzliches Dankeschön an die beste Hebräisch-Lehrerin Hanna Tischer für unzählige, sprachliche, kulturelle wie theologische, Impulse.

Desweiteren z.B.:

  • Pinchas Lapide, Von Kain bis Judas, Gütersloh 1998, Seite 51ff
  • https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/der-gottesname/ und weitere Artikel
  • www.chabad.org  Newsletter/Magazine, speziell vom 29.05.2024

Der Sündenfall

  • https://chrismon.de/artikel/2018/40750/der-suendenfall-der-maechtigste-mythos-der-menschheit
  • https://archive.org/details/vulgata_weber_gryson