Die alte Linde in Neunkirchen
Kurzfassung im Potzbergboten Nr. 19, Dez.2015/ Februar 2015
(September 2015) Im letzten Herbst (2014) war ein dickes, morsches Astteil (eigentlich ein sogenannter “Stämmling”) der altehrwürdigen Linde am Torhaus der Unionskirche abgebrochen. Ein Teil fiel auf die Straße, ein Teil auf das Kirchengelände, ein Teil blieb im Kronenbereich hängen, da an diesem Stämmling eines der drei Stahlseile befestigt war, die vor Jahren angebracht worden waren um den Kronenbereich zu stabilisieren. Schon seit längerer Zeit war bekannt gewesen, dass der Linde der Brandkrustenpilz stark zusetzte,
und immer wieder fielen morsche Astteile ab oder bei Pflegemaßnahmen mussten Ast- und Stämmlingsteile abgenommen werden. Daher stellte sich im letzten Winter recht dringlich die Frage nicht nur nach der Verkehrssicherheit des Baumes zur Straße hin, sondern auch nach der Sicherheit der Gottesdienstbesucher.
Es gibt hierzu recht eindeutige gesetzliche Vorgaben: Ein Grundstückseigentümer ist dazu verpflichtet, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, haftet also für fahrlässig herbeigeführte Schäden und Unfälle, und muss daher die an öffentlichen Verkehrswegen stehenden Bäume in angemessenen Abständen auf erkennbare Gefährdungen hin fachkundig untersuchen bzw. untersuchen lassen (Baumkontrolle) und erforderliche Maßnahmen zur Baumpflege ergreifen.
Da auch die anderen Bäume auf dem Kirchengelände (zwei weitere Linden und vier Kastanien) alle sehr nahe zur Straßen stehen und – auch für den Laien erkennbar – diverse Schäden und Totholz im Kronenbereich auszumachen waren, wurde vom Presbyterium nach Beratung durch zwei Fachfirmen ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dabei wurde nicht nur der Zustand der sieben Bäume rund um die Kirche anhand optisch erkennbarer Auffälligkeiten beurteilt, sondern es wurden auch an einer Kastanie und an der alten Linde eingehende Untersuchungen mittels Bohrwiderstandsmessungen (Resistographie) durchgeführt. Im Anschluss daran, Anfang September, wurden die vier Kastanien und die zwei Linden zur Hüttenstraße hin fachmännisch zurückgeschnitten und das Totholz entfernt. Im zweiten Schritt wurde die Krone der alte Linde abgenommen. Diese Maßnahmen geschahen in Absprache mit der Kreisverwaltung, da der gesamte Baumbestand samt Kirche und Mauer unter Denkmalschutz steht.
Zur altehrwürdigen Linde, ihrer Geschichte, und den Details, die letztendlich zum Entschluss führten sie so stark einzukürzen, wäre noch viel hinzuzufügen, was den Platz an dieser Stelle jedoch sprengen würde. Dem Presbyterium ist die Entscheidung gewisslich nicht leicht gefallen, und es ist absolut verständlich, dass viele alteingesessene Neunkirchener mit Wehmut und auch großem Schmerz das Ergebnis gesehen haben. Zumal nach der Aktion auf den ersten Blick Unmengen an scheinbar (!) gesundem Holz am Straßenrand lag. Tatsächlich waren auch die äußeren Ast- und Stämmlingsteile häufig noch in Ordnung, zum Hauptstamm hin wird jedoch das zerstörerische Werk der Schadpilze deutlich: Der innere hellere, vom Pilz zerstörte und dadurch spröde und brüchige Bereich wird immer größer und der Kernbereich wird zunehmend hohl.
Das eigentliche Problem stellte jedoch der Hauptstamm dar. Dieser erwies sich als komplett hohl, mit einer “scheinbar” gerade noch vertretbaren Wandstärke von 10cm und mehr. Bei näherem Hinsehen jedoch ist auch hier eine hellere Färbung des inneren, vom Pilz geschädigten Bereichs zu erkennen, so dass an einigen Stellen nur noch eine Wandstärke von 5cm und weniger an gesundem, stabilen Holz vorhanden ist. Und das ist eindeutig zu wenig, um die Last des restlichen Stamms und der Krone zuverlässig tragen zu können! Hinzu kommt, dass durch den Pilzbefall und damit die Zerstörung der Holzstruktur die Stämmlinge teilweise nur noch durch dünne Bereiche von gesundem Holz am Hauptstamm fixiert waren, die Sollbruchstellen für den nächsten Sturm waren vorgegeben. Es wäre also nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ein weiterer großer Stammteil abgebrochen wäre, mit unabsehbaren Folgen. Das Ausmaß der Einkürzung war übrigens nicht von vorneherein festgelegt, die Schädigung wurde erst im Laufe der Arbeiten in ihrem ganzen Ausmaß offenbar. Die beschriebenen Schäden können an den Ast- und Stammteilen, die vor der Kirche liegen und nun allerlei Getier als Unterschlupf dienen können, betrachtet werden.
Nach dem drastischen Rückschnitt stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich der obere Bereich der Linde nochmals begrünt, wenn auch natürlich nicht in dem Ausmaß wie bisher, und der mächtige Stamm noch ein paar Jahre oder sogar Jahrzehnte erhalten werden kann.
Die altehrwürdige Linde, die über Jahrhunderte das Dorfbild geprägt hat, ist nun kaum mehr zu erkennen. Aber vielleicht ist es ein kleiner Trost: Wenn Sie bei nächster Gelegenheit den Kirchberg hoch gehen, achten sie mal darauf, aus welchen neuen und ungewohnten Blickwinkeln sich nun unsere Unionskirche stolz und von fast allen Seiten präsentieren kann… (DB)
Nachtrag Oktober 2019: Die Stammabschnitte, die noch um die Kirche herum liegen, sind mittlerweile reichlich angewittert. Nun ist das morsche, mit Pilzgeflecht durchsetzte Holz im inneren Bereich gut zu sehen. Die hier sichtbaren weißen Pilze haben mit dem ursprünglichen, die Linde zerstörenden Pilz aber nichts zu tun.